Martin Drescher
Martin Drescher wurde am 8. Mai 1963 in Witstock geboren.
Nach einem Jurastudium in Breslau, Berlin und Göttingen wanderte er 1891 in die USA aus. Erst 1897 wurde er sesshaft und hielt sich in Detroit auf. Als Journalist und Schriftsteller arbeitete er an verschiedenen deutsch-amerikanischen Zeitschriften. Der "Freilandverlag" veröffentlichte dast alle seine schriftstellerischen Werke wie "Schwertlilien", "Aus meinem Vagabundenleben" und mehrere Gedichtbände.
In einer großen Zahl von Gedichten spürt man die Einsamkeit, die Sehnsucht nach zu Hause, zumindest aber nach seiner Kindheit, wie hier in diesem Sonett:
Der Ulmenbaum
Vierhundertjährig ragt der Ulmenbaum
Vor meines Vaters Tür. Gewaltig strecken
Die Äste sich und schirmen stark wie Recken
Mein Kinderreich, die Welt voll Duft und Schaum.
Sie sah'n mein Glück, sie sahn den Knaben, kaum
Befreit vom Röckchen, über Zaun und Hecken
Hintollen mit dem Jugendschwarm, dem kecken,
Vom schmalen Fluss zum dunklen Tannensaum.
Wie liegt das weit! Des Weltmeeres Wogen rauschen
Längst zwischen mir und jenem engen Raum.
Ich werd' dies Land mit anderem nicht vertauschen,
Doch möcht' ich Eins: Gewiegt in holdem Traum,
Einmal den Stimmen meiner Kindheit lauschen,
Ein einz'ges Mal - dort unterm Ulmenbaum.
Zu seinem 50. Geburtstag wurde Dreschers auch in Wittstock gedacht; bald aber geriet er gänzlich in Vergessenheit. Drescher setzte sich kritisch mit seiner Zeit auseinander. Vor allem die auf Profit orientierte US-Gesellschaft widerstrebte ihm.
Auszug aus "Wittstock und seine 18 Ortsteile", Dost, 2011