Melli Beese

Melli Beese auf ihrer Rumpler-Taube (1911)
Melli Beese auf ihrer Rumpler-Taube (1911)

 

Amelie Hedwig Boutard-Beese ging in die Geschichte ein, als die erste Frau, die in Deutschland einen Privatpilotenschein ablegte.

 

Ihr Traum war es, mit einem Boot in den blauen Himmel zu fliegen. Schließlich lag das Flugboot, das sie konstruiert hatte, zum Abheben bereit. Doch der erste Weltkrieg begann…

 

In Laubegast bei Dresden als Amelie Hedwig Beese geboren, wird sie von ihren aufgeschlossenen wohlhabenden Eltern unterstützt, als sie sich 1906 für ein Studium der Bildhauerei an der Königlichen Akademie in Stockholm entscheidet. Ihre bildhauerischen Arbeiten erreichen große Anerkennung, aber ihre Leidenschaft gilt dem Hochseesegeln und dem Wunsch, frei zu sein wie ein Vogel. Fasziniert verfolgt sie die Nachrichten von den ersten Flugversuchen in der Welt.

 

1910 nach Dresden zurückgekehrt, gibt Melli Beese die Bildhauerei auf. Sie wendet sich dem Schiffsbau und der Flugwissenschaft zu. Ihr Vater, ein Architekt, finanziert die Flugausbildung, die sie im selben Jahr auf dem ersten deutschen Motorflugplatz in Johannisthal (südöstliches Berlin) beginnt. Es wird eine Ausbildung voller Widerstände. Schließlich nimmt sie Robert Thelen als erste Schülerin an. Da nur bei absoluter Windstille geflogen wird, ist Geduld angesagt, besonders für sie, die bei den Übungsflügen gar nicht oder als Letzte berücksichtigt wird.

 

Männlichen Kollegen sabotieren die Flüge des „Eindringlings in ihr Revier“ durch Manipulationen an der Mechanik des Flugapparats und am Benzintank. Technisch begabt, hartnäckig und entschlossen setzt sich Melli Beese gegen diese „Männerstreiche“ durch. An ihrem 25. Geburtstag im September 1911 besteht sie die Prüfung mit Bravour, hält als erste deutsche Frau eine Flugzeugführerlizenz in den Händen, wird nach 114 Piloten die erste Pilotin Deutschlands.

 

In der kurz nach ihrer Prüfung stattfindenden Johannisthaler Herbstflugwoche versuchen Melli Beeses Kollegen erneut, ihren Start zu verhindern. Doch der Flugplatzdirektor hat bereits mit der Teilnahme der ersten deutschen Pilotin geworben, wittert einen Publikumserfolg. Unter 24 Teilnehmern belegt sie wegen intriganter Fliegerkameraden „nur“ den 5. Platz, erflog allerdings zwei Weltrekorde für Damen bezüglich Flughöhe und Dauer. Öffentliche Aufmerksamkeit und Lob gehören jetzt ihr.

 

Melli Beese eröffnet 1912 mit dem französischen Piloten Charles Boutard, den sie im Jahr darauf heiratet, die „Flugschule Melli Beese GmbH”. Sie entwirft einen neuen effektiveren Unterrichtsplan als bisher. Neben der Organisation und Leitung ihrer Flugschule konstruiert sie Flugzeuge, baut die „Melli–Beese-Taube” und natürlich an ihrem Flugboot weiter, erhält Patente auf ihre Konstruktionen.

Bereits im Zeichen des ersten Weltkriegs werden nur noch die großen Flugzeugwerke vom Staat unterstützt, die Piloten und Konstrukteure in Johannisthal aufgefordert, ihre Passion entweder in den Kriegsdienst zu stellen oder - sie erhalten keine Aufträge mehr, von denen Melli Beese sowieso ausgeschlossen ist.

 

Ihr Flugboot, mit dem sie in den blauen Himmel fliegen will, liegt zum Abflug in Warnemünde bereit, als am 1. August 1914 der Krieg deklariert wird. Es wird zerstört. Ihre gutgehende Fabrik und Flugschule geschlossen. Sie selbst, durch die Heirat französische Staatsbürgerin geworden, und ihr Mann werden als feindliche Ausländer verhaftet und interniert. Nach Kriegsende stehen sie, beide schwer an Tuberkulose erkrankt, vor dem Nichts.

 

Ihre Pläne einer neuen Flugschule und eines gefilmten Fluges rund um die Welt scheitern an Geldmangel. Die erklagte Entschädigung für den Verlust ihres Johannisthaler Eigentums geht größtenteils durch die Inflation verloren, ein Buch über die Anfänge in Johannisthal wird abgelehnt.

 

1925 muss Melli Beese die Lizenz ihres Pilotenscheins erneuern, sie macht eine Bruchlandung. Inzwischen lebt sie getrennt von ihrem Ehemann in einer Pension. Am 21. Dezember 1925 erschießt sie sich, hinterlässt einen Zettel mit den Worten „Fliegen ist notwendig. Leben nicht”.

Ihr Grab auf dem Friedhof Berlin-Schmargendorf wird 1975 zum Ehrengrab erklärt; ein Aeroclub, eine Schule und Straßen später nach ihr benannt.  „Im Kampf gegen viele Widerstände blieb sie Siegerin; sie zerbrach an der Militarisierung des Flugwesens, dem Nationalismus, dem ersten Weltkrieg.“

 

Bührmann, 2019

 

 

 

Auf einer Gedenktafel in Wittstock zu Ehren Melli Beeses, gestiftet von Dr. Peter Bihl, heißt es:

"Hier im Deutschen Haus waren Melli Beese und Charles Boutard während des ersten Weltkriegs interniert.
Melli Beese war die erste Pilotin Deutschlands. Sie konstruierte, baute und flog ab 1911 Motorflugzeuge auf dem Flugplatz Johannisthal (Berlin-Treptow). Wegen ihrer Ehe mit dem französischem Piloten wurde sie seit dem 1. Weltkrieg angefeindet, aus blindem Nationalismus - leider auch in Wittstock - und beging später Selbstmord.