Kapazitätsgrenze erreicht: Vorschläge für weitere Öffnung von Schulen und Kitas gefordert

Wittstock/Dosse, den 15.05.2020

Die Umsetzung der Vorschläge für die weitere Öffnung von Schulen und Kindertagesstätten gestaltet sich in Wittstock/Dosse problematisch. Darauf hat die Stadtverwaltung die Ministerin für Bildung, Jugend und Sport, Britta Ernst, in einem Schreiben hingewiesen. Das Papier wurde mit den Amtsdirektoren und Bürgermeistern der Kommunen des Landkreises sowie mit dem stellvertretenden Landrat abgestimmt, von allen unterzeichnet und in der 19. Kalenderwoche dem Ministerium zugestellt. Eine Antwort gab es bisher nicht.

 

Beim Wiedereinstieg in die Regelbetreuung in den Kindertagesstätten und Schulen treten aus Sicht der Stadtverwaltung zahlreiche Fragen auf, die vorher geklärt werden müssen. Die Ergänzungen zum Hygieneplan für den Infektions- und Arbeitsschutz in Kindereinrichtungen sind im Kontext mit dem Vorschlag der Ministerin für Bildung, Jugend und Soziales zu betrachten, weit mehr Kindern als bisher den Besuch der Kindertagesstätte zu ermöglichen. Es soll ein größeres Betreuungsangebot geschaffen und zugleich ein hoher Hygienestandard umgesetzt werden. Dabei verkennt das Ministerium für Bildung, Jugend und Soziales offenkundig, welchen hohen organisatorischen Aufwand die bisherigen Maßnahmen zum Ausbau der Notbetreuung in den Kindertagesstätten nach sich zogen. Dies betrifft die völlige Umorganisation der Betreuung in den Kitas in den Räumlichkeiten, eine Veränderung der Abläufe und einen höheren Bedarf an Personal, da die Vermischung von Gruppen und ein Wechsel der Betreuer*innen vermieden werden muss. Zusätzlich zur veränderten Organisation in den Kindertagesstätten war es Aufgabe der Verwaltung die Arbeitspläne völlig neu zu gestalten, die Kinder entsprechend den vorhandenen Möglichkeiten und Bedarfen zuzuweisen und dies aufgrund der Kurzfristigkeiten in einer Vielzahl von Telefonaten mit Eltern abzustimmen. Hinzu kommen Telefonate und Schriftverkehr mit Eltern, die nachvollziehbar verärgert darüber sind, dass ihnen – trotz Anspruch – kein Platz zur Verfügung gestellt werden kann.

 

Die Zahl der Kinder, denen trotz Betreuungsanspruch kein Platz zugewiesen werden kann, beträgt derzeit 51. Bereits jetzt hat die Stadt Wittstock/Dosse eine Betreuungsquote von 46 % erreicht, was nach den Ausführungen des MBJS über dem landesweiten Durchschnitt liegt. Diese Quote wurde in Umsetzung der bisherigen Maßgaben zur Hygiene und unter Beachtung der Vorgaben zu den Gruppengrößen durch den Landkreis OPR realisiert. Möglich wurde dies aber nur durch Verschiebung von Urlaub, Reaktivierung von Rentnern und den Rückgriff auf den Notfall-Personalpool des Landkreises. Darüber hinaus haben Grundschullehrer im Hort mit unterstützt, was mit der Erweiterung des Bildungsangebots im Grundschulbereich wegfallen wird. Eine Entspannung ist – trotz der etwas günstigeren Gruppengrößen in § 13 Abs. 6 EindämmungsVO vom 08.05.2020 – deshalb personell nicht in Sicht. Nunmehr plant die Ministerin ein sog. 1-Tages-Modell in den Kindertagesstätten. Dies würde den Kreis der anspruchsberechtigten Kinder um weitere 54 Kinder erhöhen. Die Stadt Wittstock/Dosse könnte in diesem Fall mehr als 100 Kindern nicht mehr die Betreuung anbieten, auf die sie nach den Erklärungen der Landesregierung Anspruch haben soll. Es entstünde damit der völlig falsche Eindruck, dass die kommunale Ebene versage. Dies ist falsch, weil unter Beachtung der Hygienestandards alle Ressourcen ausgeschöpft werden.

 

Aus dem Blick verliert das Vorhaben des MBJS, weiteren Kindern die Betreuung zu ermöglichen, die vorgeschlagenen Hygienegrundsätze im Rahmenhygieneplan. Es scheint mitunter so, als wenn das Ministerium beide Vorgaben - Ausbau der Kindertagesbetreuung und Hygienestandards - nicht in ausreichende Beziehung zueinander setzt und schon gar nicht, die bisherigen Rahmenbedingungen und Zahlen in der Kindertagesbetreuung kennt bzw. ausreichend gewichtet.  Es mag in der allgemeinen politischen Diskussion und dem gewünschten Ziel der Rückkehr zu einer gewissen Normalität untergehen, aber die Kindergärtner*innen sind für die Betreuung, Erziehung, Bildung und Versorgung der Kinder da. Stattdessen sollen sie sich bei der Abgabe der Kinder täglich schriftlich von den Eltern bestätigen lassen, dass weder bei dem Kind noch bei einem anderen Familienmitglied Krankheitssymptome aufgetreten sind.

 

Diese Regelung unter Ziff. 2 Infektionsschutz - Betreuungsgrundsätze steht im Widerspruch zu der Regelung unter Ziff. 3 Arbeitsschutz - Betreuungsregelungen, die nur von einer Aktualisierung der Erklärungen spricht. Die Erzieher*innen sollen weiter darauf achten, dass Personen, die die Einrichtung betreten, sich unverzüglich die Hände waschen und desinfizieren. Nicht geklärt ist, wo das passieren soll.  In den Waschbereichen der Kinder oder auf den Personaltoiletten wäre dies nicht im Sinne der eigentlich erklärten Hygieneziele. Es sind scheinbar keine Vorstellungen zu den üblichen Raumaufteilungen einer Kindertagesstätte vorhanden. Teilweise würde dies bedeuten, dass diese Personen die Gruppenräume durchqueren müssten. Es wäre sinnvoller, die Übergabe der Kinder außerhalb/vor den Räumen zu belassen, da dort Desinfektionsmittel verfügbar sind. Weiterhin erschließt sich auch nicht, warum bei geschlossenen Kindergruppen die Handkontaktflächen zwei- bis dreimal täglich gereinigt werden sollen (Türklinken, Fenstergriffe, Fußböden, Tischoberflächen). Es gibt keine Möglichkeit eines Aufenthaltes für die Krippenkinder wenn der Raum zwischendurch gewischt wird, besonders unter Beachtung des Verbotes der Durchmischung von Gruppen. Die Frage nach der Sinnhaftigkeit, in einer geschlossenen Gruppe zwischendurch Türklinken und Fenstergriffe zu reinigen, stellt sich ebenso wie die tatsächliche Umsetzung. Regelmäßig werden die Kindertagesstätten von Drittanbietern gereinigt, nachdem alle Kinder die Einrichtung verlassen haben.

 

Nach der Vorstellung des Ministeriums erziehen die Mitarbeiterinnen der Kindertagesstätten die Eltern zum Händewaschen, lassen sich jeden Tag schriftlich geben, dass alle gesund sind und reinigen die Gruppenräume zwischendurch. Es ist derzeit unrealistisch, dies umzusetzen.

 

Darüber hinaus steht die geplante Umsetzung des 1-Tages-Modells für alle Kinder im Widerspruch zu den Vorgaben und Zielen der Hygiene. Dabei würde gerade keine Gruppenkontinuität gewährleistet werden können und das Infektionsrisiko steigen. Infektionsketten wären in jedem Fall schlechter zurück verfolgbar. Für die pädagogische Arbeit und Vorbereitung der Kinder auf die Grundschule bietet diese Möglichkeit kaum bis keine Vorteile, weil es an der erforderlichen Kontinuität in der Arbeit fehlt. Darüber hinaus wird der organisatorische Aufwand für alle Beteiligten offenkundig verkannt. Die zuständige Ministerin scheint davon auszugehen, dass auf kommunaler Ebene noch die entsprechenden personellen und räumlichen Ressourcen vorhanden sind, um das Modell umzusetzen. Dem ist jedenfalls in der Stadt Wittstock/Dosse nicht so.